Ich bin ein Denkmal – Holt mich hier ‘raus!
Die Rolle der Erinnerungskultur im Rahmen des Geschichtsunterrichts
Von jeher ist es die Aufgabe des Geschichtsunterrichts, Schülerinnen und Schülern Kenntnisse über wichtige Geschehnisse und Prozesse im historischen Verlauf zu vermitteln.
Seit man nicht mehr glaubt, geschichtliche Einsicht und historisches Urteil ließen sich allein lehrerzentriert vermitteln, hat das Einüben historischer Arbeitstechniken wie der Quelleninterpretation oder der Erörterung von Historikerurteilen den Arbeitsplan des Geschichtsunterrichts erweitert, um einen schülerindividuellen Zugang zu diesen Kenntnissen zu ebnen und das kompetente Nachdenken über Geschichte zu ermöglichen.
Als Ergebnis eines solchen Unterrichts sollen Schülerinnen und Schüler in der Lage sein, sich eigenständig, kompetent und reflektiert mit Themen der Geschichte zu beschäftigen, sie bilden Geschichtsbewusstsein aus.
Neuere didaktische Ansätze betonen in diesem Zusammenhang die Bedeutung von verschiedenen Ausprägungen der Erinnerungskultur. Der Terminus der Erinnerungskultur fasst dabei unterschiedlichste Formen der Beschäftigung und Rückbesinnung auf Geschichte, wie sie in unserer Gesellschaft stattfinden, unter einem Begriff zusammen.
Der Spielfilm über die Abenteuer eines Häuptlingssohnes aus der Wikingerzeit oder das Schicksal einer jüdischen Familie im Warschauer Ghetto, die Ausstellung zur Geschichte der Stadt im Alten Orient, die bewusste Wahrnehmung von Sinn und Unsinn einzelner Straßennamen, die Würdigung von historischen Ereignissen oder Personen in Form eines Denkmals, der Besuch eines Museums oder der Konsum verschiedenster Zeugnisse des Infotainments in TV-Dokumentationen: All diesen Formen der aktuellen Rückbesinnung auf die Geschichte ist gemeinsam, dass junge Menschen ihnen in ihrem Alltag begegnen und die Beschäftigung mit geschichtlichen Themen vornehmlich durch sie vermittelt wird.
Der moderne Geschichtsunterricht muss deshalb Beispiele von Erinnerungskultur nach Möglichkeit aufgreifen und zum Gegenstand der Erörterung machen!
Das hier gezeigte Beispiel, die Ausstellung der gestürzten Denkmäler in der Spandauer Zitadelle, ist im Hinblick auf das Thema Erinnerungskultur in dreifacher Hinsicht interessant: Zum einen lohnt es sich nachzuvollziehen, aus welchen Gründen zum Zeitpunkt der Errichtung des Denkmals die historische Leistung der geehrten Person offensichtlich sehr hoch angesetzt worden ist. Häufig erfährt man dabei mehr über die Stifter des Denkmals als über die Geehrten.
Alle in der Ausstellung gezeigten Denkmäler erfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt, der auf ihre Überhöhung im Denkmal folgt, einen radikalen Rückgang an Wertschätzung, der dazu führt, dass sie aus dem öffentlichen Präsentationsraum verschwinden. Wo bereits zwei dermaßen unterschiedliche Einschätzungen historischer Größe stattgefunden haben, liegt es nahe zu fragen, wie ein heutiger Betrachter oder der einzelne Schüler dazu steht.