„Die Gewalt kam von der Polizei"

„Die Gewalt kam von der Polizei"

 
Ein Interview mit Gretchen Dutschke-Klotz
 
Am 20. Januar erhielten die Schülerinnen und Schüler der PW-Kurse ganz besonderen Besuch. Frau Klotz, die Frau des verstorbenen Rudi Dutschke, erzählte aus einer Zeit, die zwar nicht lange her, für die meisten aber nicht bekannt ist, vor allem der jungen Generation. Als Teil der 68er-Bewegung setzte sie sich für Demokratisierung und antiautoritäre Erziehung ein. Es war die Zeit des Schreis nach Veränderung. Ihre Geschichte und viele Details aus ihrem Leben brachte sie uns in einer Lesung näher. Die von ihr gelesenen Passagen waren ihrem im Jahre 2018 erschienenen Buch „1968: Worauf wir stolz sein dürfen“ entnommen.
 

 
“Jetzt sind die Jungen (Menschen) dran.”
 
In der sich anschließenden Gesprächsrunde konnten wir Fragen stellen und so Weiteres über die 68er-Bewegung, Frau Dutschke-Klotz selbst und Rudi Dutschke erfahren. Frau Klotz antwortete mit einer erstaunlichen Offenheit und hatte immer eine ausführliche und überzeugende Antwort parat.
 
Eine “Gehorsamskultur”
 
Frau Klotz zufolge stand am Anfang die Einsicht, in einer von autoritärem Denken geprägten Gesellschaft zu leben. Man war in Deutschland in den 60er-Jahren, also etwa zwanzig Jahre nach dem Ende der NS-Diktatur, immer noch nicht daran gewöhnt, kritisch zu denken oder gar die eigene Meinung zu äußern. Die persönliche Entwicklung wurde soweit wie möglich unterdrückt. Die antiautoritäre Bewegung wollte genau diese von Zwang bestimmte Erziehung stoppen. Sie forderte zum Beispiel die Abschaffung von Prügelstrafen in den Schulen und stattdessen die Förderung der Meinungsfreiheit.
Ein anderer Aspekt war, dass Frauen in wichtigen Fragen keine eigenen Entscheidungen treffen konnten und unter der Vormundschaft ihrer Ehemänner standen. Auf dem Weg zur Demokratisierung entstand deshalb als Untergruppierung der antiautoritären Bewegung auch die Frauenbewegung.
Die eigenen Kinder wurden antiautoritär erzogen, sie sollten selbst aktiv werden, selbst denken und ihre Meinung äußern. Antiautoritäre Erziehung bedeutete jedoch nicht Wildwuchs oder Laissez-Faire. Man bemühte sich, der nachfolgenden Generation zentrale Werte zu vermitteln, beispielsweise ein Gefühl für die Notwendigkeit solidarischen Handelns.
 
“Man wollte das nicht mehr, nie wieder Krieg!”
 
Einer der wichtigsten Auslöser dieser Denkrichtung und der folgenden Demonstrationen war der Vietnamkrieg. Als dann auch noch der vietnamesische Präsident zu Besuch nach Deutschland kam, führte das zu großen Aufständen. Ebenfalls bei anderen Protesten, wie zum Beispiel gegen den Schah von Persien, folgten große Unruhen und Konflikte zwischen den Demonstranten und der Polizei. Als schließlich bei einer bis zu diesem Zeitpunkt friedlichen Demonstration der Student Benno Ohnesorg erschossen wurde, waren Chaos und zunehmende Gewalt bereits vorprogrammiert.
 
Frau Klotz legte Wert auf die Feststellung, dass die Gewalt immer von Seiten der staatlichen Kräfte ihren Ausgang nahm: „Die Gewalt kam von der Polizei. Die ersten Molotowcocktails, die kamen vom Verfassungsschutz.” Es war somit den Demonstranten überlassen, wie sie reagierten.  Einige Radikale in der 68er-Bewegung entschieden sich falsch und nutzten die Gelegenheit. “Es waren die Leute, die das nicht verstanden haben”. Rudi, so fügte sie an, habe sich immer sowohl gegen den bewaffneten Kampf als auch gegen die Gründung von K-Gruppen ausgesprochen; vielmehr habe er die Gründung der Grünen mit viel Sympathie verfolgt und auch unterstützt.
 
“Eine Tradition, in der man versucht, die Gesellschaft zu verändern”
 
Die Idee des Demonstrierens ist keinesfalls ausgestorben, auch nicht bei Gretchen Klotz. Mit ihren 77 Jahren geht sie immer noch demonstrieren und beteiligt sich aktiv an aktuellen politischen Themen. „Da muss was gemacht werden.“ Gemeint ist das Projekt: “Fridays for future”, welches sie unterstützt. Außerdem besucht sie Schulen wie unsere, um die junge Generation über diese Zeit aufzuklären und sie zu ermutigen, die politische Auseinandersetzung auf demokratischem Wege fortzusetzen und dabei unterschiedliche Meinungen zu tolerieren.
 
“Man kann ja selbst finden, was das Richtige ist!”
 
 

 
 

 
 

 
 

 
Die Organisatoren, Schülerinnen und Schüler bedanken sich herzlich bei Dr. Bruno Heidlberger (auf dem unteren Foto links),  der das Treffen mit Gretchen Dutschke-Klotz am Stein-Gymnasium dank seiner vielfältigen Kontakte in die Wege geleitet hat.
 
Beitrag: Vera Eschenhorn & Patrick Neumann
Fotos: Patrick Neumann
31. Januar 2020